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22. März 2017

Bei Grün – Stop!

Synthetische PhysiologInnen entwickeln neuen Rezeptor, der von grünem Licht ausgeschalten wird – Studie erscheint diese Woche im Journal Angewandte Chemie

First author and PhD student Stephanie Kainrath tests the influence of green light on cultured cells in incubators with commercial LEDs
Erstautorin und PhD-Studierende Stephanie Kainrath testet mit handelsüblichen LEDs den Einfluss des grünen Lichts auf  Zellen im Inkubator

Optogenetik, die Verwendung von Licht um wichtige Prozesse zu kontrollieren, führte zu einer Revolution in der Erforschung von zellulären Signalwegen, zellulärem Verhalten und der Funktion von großen, verknüpften Geweben wie dem Gehirn. Für die äußerst erfolgreiche Kombination aus Optik und Genetik werden lichtempfindliche Proteinen verwendet, von denen viele so funktionieren, dass sie nach einer Lichtstimulation an einander binden. Neue Forschung von WissenschaftlerInnen am Institute of Science and Technology Austria (IST Austria) erweitert die „Werkzeugkiste“ der optogenetischen Proteine In der Studie der Gruppe von Harald Janovjak, vorangetrieben durch Erstautorin und PhD Studentin Stephanie Kainrath, und KollegInnen von der St. Anna Kinderkrebsforschung in Wien, die diese Woche im Journal Angewandte Chemie erscheint, zeigen die AutorInnen das umgekehrte Prinzip – die Lösung einer Bindung unter Einwirkung von grünem Licht.

Die Verwendung von Licht als Stimulus erlaubt es ForscherInnen, zelluläres Verhalten in definierten Bereichen und in Echtzeit zu manipulieren, und hat so die Türen für neuartige Experimente geöffnet. Die Methode hat besonders in jenen Fällen Erfolg, in denen die lichtsensiblen Teile des Proteins,  auch Proteindomänen genannt, auf Licht reagieren indem sie aneinander binden. Die Bindung aktiviert Signalwege, und damit weiterhin Signale gesendet werden, müssen die untersuchten Zellen, Gewebe oder Tiere im Licht bleiben. Doch das dauerhafte Beleuchten trägt Risiken: Bleichen der lichtsensiblen Komponenten und giftige Nebenwirkungen des Lichts werden häufig beobachtet.

Kainrath und ihre KollegInnen bieten einen Ausweg, da die umgewidmeten lichtsensiblen Domänen ihre Interaktion bei Beleuchtung lösen. Somit können ForscherInnen nun ihre Studienobjekte im Dunklen lassen, um die Signalübertragung einzuleiten, und sie zu einem präzisen Zeitpunkt ins Licht verschieben, um die Signalübertragung zu unterbrechen. Erstautorin Stephanie Kainrath erklärt die Bedeutung der Forschung: „Unsere Arbeit ist von dem Wunsch inspiriert, biologische Signale zu imitieren, die immer eingeschalten sind, wie etwa die Signale, die das Wachstum mancher Krebsarten antreiben. Mit unserem neuen Tool können wir solche Signale auch rasch ausschalten. Dies ermöglicht neue Zugänge sowohl in zellbasierten als auch tierbasierten Studien.“

Das neu konstruierte Tool ist besonders vielseitig einsetzbar, da es auf Licht im grünen Teil des sichtbaren Lichtspektrums reagiert. Das ist möglich da die umgewidmeten Domänen, die sogenannten Cobalamin (Vitamin B12)-bindenden Domänen (CBDs), Vitamin B12 für ihre Lichtreaktion verwenden. Erst vor Kurzem wurde erkannt, dass Vitamin B12 nicht nur für die Funktion des menschlichen Körpers essenziell ist, sondern auch von Bakterien als Lichtsensor verwendet wird. Kainrath und KollegInnen zeigen den Nutzen dieser Domänen indem sie sie an ein Wirbeltier-Rezeptor Protein, dem sogenannten Fibroblasten-Wachstumsfaktoren Rezeptor 1 (FGFR1), anknüpfen. Normalerweise reicht ein Teil dieser Rezeptoren aus der Zelle heraus, wo sie Fibroblasten-Wachstumsfaktoren einfangen können. Das veranlasst zwei Rezeptoren dazu, an einander zu binden und die Signalübertragung im Inneren der Zelle zu aktivieren. Die konstruierten optogenetischen FGFR1 Proteine binden einander durch die CBDs im Dunkeln und aktivieren die Signalübertragung. Nur im grünen Licht wird diese Bindung gelöst und die Signalübertragung stoppt. 

Versuche an Zebrafischembryonen zeigen das Potential dieses neuen Zugangs für Studien an Tieren. Embryonen, die so modifiziert wurden, dass sie den konstruierten Rezeptor produzieren und dann im Dunkeln gehalten werden, zeigen dieselben Entwicklungsstörungen wie Embryonen, in denen die Signalübertragung immer aktiv ist – eine Situation, die menschlichen Erkrankungen ähnelt. Im Gegensatz dazu entwickeln sich Embryonen, die in grünem Licht gehalten wurden, ohne jegliche Störungen. Für Martin Distel, Ko-Autor und Gruppenleiter an der St. Anna Kinderkrebsforschung, Wien, ist der Rezeptor ein nützliches Instrument, um die Onkogen-Abhängigkeit, die Achillesferse einiger Krebsarten, zu untersuchen: „Eine Auflösung von Proteinkomplexen, die durch Licht kontrolliert wird, ist ein nützliches Tool in der optogenetischen Werkzeugkiste. Bei möglichen Anwendungen in der Krebsforschung denke man etwa an Onkogen-Abhängigkeit. Die abnormale Aktivität von Signalenwegen, wie zum Beispiel jene die durch Fibroblasten-Wachstumsfaktor aktiviert werden, kann nun rasch und von außen durch Licht ausgeschalten werden um die Auswirkungen auf zelluläres Verhalten zu untersuchen.“

Harald Janovjak und seine Gruppe arbeiten auf dem neuen Gebiet der synthetischen Physiologie, die komplexe biologische Probleme mit dem Ansatz angeht, „es zu bauen, um es zu verstehen“. Stephanie Kainrath trat 2015 dem PhD Programm am IST Austria bei. Im Dezember 2016 bestand sie ihr qualifying exam, jetzt forscht Stephanie für ihr Doktorat in der Gruppe von Harald Janovjak.



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