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3. August 2023

Ein visuelles Fest

Informatiker:innen präsentieren coole neue Methoden auf der SIGGRAPH 2023

3D-Lichtskulpturen. Tsunamiwellen an einem Strand. Vorschau auf farbige Tattoos. Die Beiträge der Bickel und Wojtan Gruppen am Institute of Science and Technology Austria (ISTA) zur SIGGRAPH-Konferenz 2023 befassen sich mit einer beeindruckenden Vielfalt an klassischen und neuen Fragen. Die Schwerpunkte reichen von Computergrafik bis hin zu Fertigungsmethoden, doch die Informatiker sind sich einig, dass sie kosteneffiziente, innovative Lösungen finden und Nutzer:innen unterstützen wollen.

SIGGRAPH ist der weltweit wichtigste jährliche Kongress für Computergrafik und interaktive Techniken und bringt die neuesten Entwicklungen auf diesem Gebiet zusammen. In diesem Jahr war die Beteiligung von Wissenschafter:innen des Institute of Science and Technology Austria (ISTA) wieder sehr groß.

PCBend: Eine neue zugängliche Pipeline für 3D-Lichtskulpturen

Heutzutage ist die Bedeutung von Licht in Design, Kunst und Architektur unumstritten.  Das Entwerfen und Herstellen von Licht-bedeckten 3D-Objekten aber war für Durchschnittsanwender:innen bisher sowohl unerschwinglich als auch mühsam. Manas Bhargava, ein Doktorand in der Bickel-Gruppe am ISTA, nahm sich dieses Problems an: Er suchte eine einfach-zu-bedienende und erschwingliche Pipeline zur Entwicklung und Herstellung solcher Strukturen zu entwickeln. Jetzt haben Bhargava und seine Kolleg:innen vom ISTA und der Universität Lothringen (Frankreich) mit PCBend ein System vorgestellt, das genau das erreicht.

Von flach zu Katze. Die vom PCBend-Programm erstellten 2D-Leiterplatten werden gefaltet und so programmiert, dass atemberaubende 3D-Lichtskulpturen entstehen. © PCBend Projektmitglieder

Flache (2D) LED-Leiterplatten sind günstig und einfach herzustellen, gebogene (3D) Leiterplatten hingegen nicht. Um die Kosten niedrig zu halten und die bestehenden Fertigungsketten zu nutzen, musste das Team daher zunächst eine Methode finden, um das Design des Zielobjekts „flach“ zu machen. „Das Entfalten eines 3D-Objekts aus Dreiecken ist ein klassisches Problem, dessen Lösungen vom Origami inspiriert sind“, erklärt Bhargava. „Aber wir mussten auch die physikalischen Zwänge berücksichtigen, die durch die Schaltkreisverbindungen zwischen zwei Dreiecken entstehen – anders als gefaltetes Papier können sie brechen.“ Inspiriert von Holzbearbeitungstechniken entwickelte das Team spezielle Scharniere, mit denen sich die Leiterplatte biegen lässt, ohne die Schaltkreise durchzutrennen. Das Programm des Teams löste außerdem das Problem der Schaltungsanordnung, indem es alle LEDs über einen einzigen Pfad verband.

Sobald das 2D-Designnetz festgelegt ist, wird es hergestellt, und Benutzer:innen setzten es dann in 3D  zusammen und programmieren die Lichtmuster. „Unsere Pipeline ist einfach zu bedienen, so dass andere ihre eigenen Ideen leicht ausprobieren können“, fährt Bhargava fort. „Ich freue mich schon zu sehen, was sie machen!“ Mögliche Anwendungen lägen zum Beispiel in Kunst, Theater oder als Show-Element bei Konzerten.

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Neue Wellen-Simulationsmethode verknüpft tiefe und flache Gewässer

Das nächste Projekt taucht in bisher unerreichte Tiefen. Gleichungen zur Beschreibung von Flüssigkeitsbewegungen sind seit den 1800er Jahren bekannt. Diese Gleichungen sind zwar mathematisch schön, aber zu rechenintensiv, um für die Simulation von Wasserwellen verwendet zu werden. In der Vergangenheit haben Wissenschafter:innen und Grafikdesigner:innen daher auf die Airy-Theorie zurückgegriffen, die Wellenmuster in tiefem Wasser perfekt beschreibt, oder auf die Shallow-Water-Equations (Deutsch: Flachwassergleichungen), die für alles in Ufernähe geeignet sind. Beide sind in ihrem jeweiligen Bereich hervorragend, versagen aber in den anderen. Früher mussten sich Grafikexpert:innen für eine einzige Art von Gleichung entscheiden und zusätzliche Effekte verwenden, um eklatante visuelle Fehler zu verbergen. Jetzt haben Professor Chris Wojtan und sein langjähriger Mitarbeiter und ISTA-Alumnus Stefan Jeschke die erste praktische Methode entwickelt, mit der sich sowohl die Auswirkungen von Tief- und Flachwasser simulieren lassen, als auch die Wechselwirkungen zwischen Tief- und Flachwasser. Im Wesentlichen kombinieren sie die beiden Modelle, wobei sie die Stärken der beiden Modelle nutzen und ihre Schwächen minimieren.

Breite und Tiefe. Das neue Modell von Jeschke und Wojtan vereint die Vorteile früherer Simulationsmethoden und kann eine Reihe von Wassereffekten simulieren, die bisher unmöglich waren. © ISTA/Chris Wojtan

Zwar haben sie die Modelle in gewissem Sinne „zusammengeklebt“, doch die Entscheidung, welches Modell wo eingesetzt werden sollte (z. B. was Tief- und was Flachwasser ist), erforderte Fingerspitzengefühl und eine profunde Kenntnis der mathematischen Gleichungen, die den Modellen zugrunde liegen. „Die Tiefe ist in den Simulationen nicht nur der Abstand von der Oberfläche zum Boden“, erklärt Wojtan. „Auch die Wellenlänge – der Abstand von einem Wellenberg zum nächsten –  spielt eine Rolle.“ Mit ihrer neuen Methode kann das Team bisher unerreichte Effekte simulieren, wie z. B. Tsunami-Wellen, die einen Strand überfluten, oder das Kielwasser eines Bootes, das an der Küstenlinie entlangläuft – und das alles in Echtzeit. „In der Praxis ist das neue Modell nach wie vor gut für die Parallelverarbeitung geeignet, sodass wir auf modernen Grafikprozessoren Echtzeit-Bildraten erreichen können“, ergänzt Jeschke.

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Tattoo-Vorschau

Eine weitere Veröffentlichung der Bickel-Gruppe des ISTA zeigt die Vielfalt der auf der SIGGRAPH präsentierten Themen. Zu wissen, wie die Farben beim Tätowieren aussehen werden, hängt von der Erfahrung der Künstler:innen ab. Die Dauerhaftigkeit von Tattoos macht es den Tätowierer:innen jedoch unmöglich, zu experimentieren und die notwendigen Erfahrungen zu sammeln. Jetzt haben die Bickel Gruppe und ein Kooperationspartner das erste Modell entwickelt, das genau vorhersagt, wie eine Tätowierung auf verschiedenen Substraten aussehen wird. Michal Piovarči, ein Postdoc in der Bickel-Gruppe, leitete das Projekt und kombinierte ein tiefes Verständnis der Farbmodellierung mit praktischen Herstellungs- und Programmiermethoden.

Der Tattoo-Fertigungsaufbau. Die Bickel-Gruppe entwickelte eine spezielle Tätowier-Vorrichtung (links), um ihre Farbmodelle zu testen und zu verfeinern. Rechts, ein hergestelltes Muster. © ISTA/Michal Piovarči

Für die Entwicklung der prädiktiven Farbmodelle verwendete Piovarči Standardgleichungen und passte sie an das Feld des Tätowierens an. Seine wichtigste Beobachtung war, dass das Substrat wie eine zusätzliche Farbe wirkt, die sich mit den Tätowiertinten vermischt. Sobald die grundlegenden Modelle erstellt waren, mussten die Parameter des Modells durch konkrete Tests definiert werden. Zu diesem Zweck baute Piovarči ein programmierbares Tätowiergerät und entwickelte ein Silikon-Maisstärke-Substrat zum Tätowieren. „Das Überraschendste und Zufriedenstellendste war die Bandbreite an Farben, die wir erreichen konnten, nachdem wir verstanden hatten, wie wir die Tintenkombinationen für jedes Substrat optimieren konnten“, sagt Piovarči.

Das Team programmierte zusätzliche Funktionen, wie z. B. Vorschläge für alternative, komplementäre Farben, die besser sichtbar sind als das ursprüngliche Design, sowie eine optimierte Farbauswahl für Tattoo-Cover-ups. Das erweitert die Fähigkeiten der Künstler:innen farblich schöne Tattoos zu stechen.

Die Technik der Wissenschafter:innen ist nicht nur wegen ihrer möglichen Anwendungen wertvoll: „Aus wissenschaftlicher Sicht ist es spannend, besser zu verstehen, wie in die Haut eingebettete Tinten den Lichttransport beeinflussen, sowie das Erscheinungsbild rechnerisch zu modellieren und das Modell experimentell zu validieren“, fasst Professor Bernd Bickel zusammen.

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Weitere Publikationen auf der SIGGRAPH 2023

Die Bickel und Wojtan Gruppen werden auf der SIGGRAPH 2023 auch andere Arbeiten vorstellen. Die Papiere, begleitende Videos und andere Ressourcen (auf Englisch) können auf ihrer Visual Computing-Website gefunden werden und umfassen Projekte wie:

Das letzte Projekt, eine Zusammenarbeit zwischen ISTA und MIT, stellt eine neuartige, einfach zu bedienende Schnittstelle für die Gestaltung von Metamaterialien mit einzigartigen Eigenschaften vor. Weitere Informationen finden Sie hier.

Publikationen:

Marco Freire, Manas Bhargava, Camille Schreck, Pierre-Alexandre Hugron, Bernd Bickel, & Sylvain Lefebvre. 2023. PCBend: Light Up Your 3D Shapes With Foldable Circuit Boards. ACM Transactions on Graphics (SIGGRAPH 2023). DOI: 10.1145/3592411

Stefan Jeschke & Chris Wojtan. 2023. Generalizing Shallow Water Simulations with Dispersive Surface Waves. ACM Transactions on Graphics (SIGGRAPH 2023). DOI: 10.1145/3592098

Michal Piovarči, Alexandre Chapiro, & Bernd Bickel. 2023. Skin-Screen: A Computational Fabrication Framework for Color Tattoos. ACM Transactions on Graphics (SIGGRAPH 2023). DOI: DOI: 10.1145/3592432

Projektförderung:

PCBend: Light Up Your 3D Shapes With Foldable Circuit Boards: Dieses Projekt wurde durch Mittel des European Research Council (Grant Agreement No. 715767 -– MATERIALIZABLE) finanziert.

Generalizing Shallow Water Simulations with Dispersive Surface Waves: Dieses Projekt wurde teilweise durch Mittel des European Research Council (ERC Consolidator Grant 101045083 CoDiNA) finanziert.

Skin-Screen: A Computational Fabrication Framework for Color Tattoos: Dieses Projekt wurde durch Mittel des FWF (Lise Meitner Grant M 3319) finanziert.



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