30. Januar 2014
Entdeckung neuer genetischer Formen von Neurodegeneration
Science-Publikation von IST Austria Assistant Professor Gaia Novarino und KollegInnen enthüllt Zusammenhänge zwischen seltener Störung und häufigen Erkrankungen wie Alzheimer.
In einer Studie, die am 31. Jänner in Science erscheint, berichtet ein internationales Forscher-Team, geleitet von WissenschaftlerInnen an der University of California San Diego School of Medicine, von einer Verdopplung der Anzahl an bekannten Ursachen für hereditäre spastische Paraplegie (HSP), eine neurodegenerative Erkrankung; die Arbeit entstand unter Mitwirkung von Gaia Novarino als Erstautorin, die seit Jahresbeginn Assistant Professor am IST Austria ist. HSP wird charakterisiert durch eine zunehmende Versteifung und Kontraktion der unteren Gliedmaßen, und wird begleitet von Epilepsie, kognitiven Beeinträchtigungen, Erblindung und, in manchen Fällen, weiteren neurologischen Symptomen.
Über mehrere Jahre hinweg rekrutierte und begleitet das Forscherteam an der UCSD eine Gruppe von mehr als 50 Familien, bei denen autosomal rezessive HSP auftritt: Damit handelt es sich um die bisher größte erforschte Gruppe von Betroffenen. Die WissenschaftlerInnen analysierten 100 PatientInnen dieser Kohorte mithilfe der Exom-Sequenzierung, einer Methode, mit der die wichtigsten Teile des Genoms analysiert werden. In fast 75% der Fälle identifizierten die ForscherInnen eine genetische Mutation. Die Hälfte davon wurde in Genen gefunden, die bisher nicht mit Erkrankungen in Verbindung gebracht worden waren.
“Nachdem wir so viele neue genetische Ursachen von HSP entdeckt hatten, waren wir in der einzigarten Lage, diese Ursachen miteinander in Verbindung zu setzen und ein ‚HSP-ome’ zu erstellen, also eine Karte, die alle neuen und zuvor beschriebenen Ursachen beinhaltet”, erklärt Seniorautor Joseph G. Gleeson, MD Professor an der UC San Diego und Investigator des Howard Hughes Medical Institute.
Die Erstellung des „HSP-ome“ half dem Team, weitere genetische Mutationen bei ihren PatientInnen zu identifizieren und später zu bestätigen, wodurch maßgebliche biologische Schaltkreise, die HSP zu Grund liegen, bestimmt werden konnten. Darüber hinaus wollten die ForscherInnen verstehen, wie HSP mit anderen Gruppen von Erkrankungen zusammenhängt; sie entdeckten, dass durch das HSP-‘ome’ häufiger auftretende neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer und amyotropher Lateralsklerosis mit HSP in Zusammenhang gebracht werden können.
“Das Wissen über biologische Prozesse, die neurodegenerativen Erkrankungen zugrunde liegen, ist Ausschlag gebend, um weitere wissenschaftliche Studien voranzutreiben, die ihrerseits darauf abzielen, die exakten Mechanismen von häufigen neurodegenerativen Erkrankungen aufzudecken, und einen Weg für die Entwicklung wirksamer Therapien aufzuzeigen” so Joseph G. Gleeson.
“Ich halte diese Studie für sehr wichtig für die Forschungsgemeinschaft, die sich mit neurodegenerativen Erkrankungen befasst” sagt Erstautorin Gaia Novarino, “aber weiter gefasst illustriert die Studie, wie die Verwendung von Genomik in einer spezifischen PatientInnengruppe, und die darauf aufbauende Erstellung eines ‘Interaktoms’, unser Wissen um bisher unbekannte Ursachen von Erkrankungen erweitern kann.”
Gaia Novarino kam Anfang 2014 als Assistant Professor an das IST Austria. Novarino studierte Molekularbiologie und erhielt 2006 ihr PhD in Zellbiologie an der Universität La Sapienza in Rom. Novarino forschte vier Jahre als Postdoctoral Fellow am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in Berlin, bevor sie 2010 an das Labor von Joseph Gleeson an der University of California San Diego wechselte, wo sie sich mit der Identifizierung der genetischen Grundlagen kognitiver Störungen befasste und die jetzt in Science veröffentlichte Forschung durchführte.