Skip to main content

17. Januar 2013

Immunzellen orientieren sich tastend und riechend im Gewebe

Forschung am IST Austria zeigt, wie Immunzellen durch die Haut navigieren, indem sie Konzentrationsgefälle von immobilisierten Leitsignalen wahrnehmen

Microscopic image of blood vessels, lymphatic vessels and Chemokin CCL21 IST Austria
Mikroskopische Aufnahme von Blutgefäßen, Lymphgefäßen und dem Chemokin CCL21.

Eine Publikation der Gruppe von Michael Sixt, Assistant Professor am Institute of Science and Technology Austria (IST Austria), die heute in Science erscheint, gibt neue Einblicke, wie Immunzellen ihren Weg durch Gewebe finden. Die Ergebnisse sind der erste Beleg für geleitete Zellmigration entlang eines Konzentrationsgefälles chemischer Signale, die im Gewebe immobilisiert sind – ein Konzept, das lange angenommen aber bisher nicht experimentell bewiesen wurde.

Immunzellen patrouillieren ständig in unserem Körper, um fremde Eindringlinge wie Bakterien oder Viren zu entdecken. Hierzu verlassen sie die Blutzirkulation, um Gewebe und Organe zu durchwandern und anschließend wieder über die Lymphgefässe in den Blutstrom zu gelangen. Forschungsergebnisse des Labors von Michael Sixt zeigen nun, wie Immunzellen sich in Geweben wie der Haut orientieren. Grundsätzlich wird angenommen, dass Zellen die chemische Zusammensetzung ihrer Umgebung entweder wahrnehmen, indem sie Strukturmoleküle wie zum Beispiel Bindegewebskomponenten durch Anhaftungsrezeptoren „ertasten“ oder indem sie Signalmoleküle in löslicher Form „riechen“. Da ein „Geruch“ mit abnehmendem Abstand von seiner Quelle zunimmt, kann sich eine Zelle grundsätzlich am Konzentrationsgefälle eines gelösten Signalmoleküls orientieren – so wie man eine Blume finden kann, indem man ihrem Geruch folgt. Für beide Prinzipien, tasten und riechen, wurde bereits in Zellkulturexperimenten gezeigt, dass sie genutzt werden können, um Zellen in ihrer Fortbewegung zu leiten. Aber wie die Orientierung von Zellen in wirklichem Gewebe geschieht, war bisher nicht bekannt.

Der neuen Studie zufolge verwenden Immunzellen in der Haut eine Kombination beider Strategien. Sie folgen Konzentrationsgefällen von Signalmolekülen, welche nicht löslich sondern an Zuckermoleküle im Bindegewebe gebunden sind. In ihrer aktuellen Arbeit visualisierten die Forscher um Michael Sixt sowohl die Immunzellen, in diesem Fall dendritische Zellen, als auch das Signal, das Chemokin CCL21, und filmten, wie Zellen durch lebendes Gewebe navigieren. Sie fanden, dass das Chemokin ausschließlich von Lymphgefäßen produziert wird. Von dort aus verbreitet es sich in das umliegende Gewebe, wird an Zuckermoleküle verankert und bildet ein Konzentrationsgefälle. In Zusammenarbeit mit zwei Physikern am IST Austria, Robert Hauschild und Tobias Bollenbach, wurden detaillierte quantitative Karten der Chemokinverteilung erstellt und mit den Migrationsrouten der Zellen verglichen. Beobachtung und quantitative Vorhersage stimmten gut überein: eine Zelle kann ihren Weg zum nächsten Lymphgefäß finden, indem sie die Konzentration des Chemokins entlang ihrer Oberfläche vergleicht und sich dann in Richtung der höheren Konzentration weiterbewegt. Damit das funktioniert, muss die Zelle nur eine bestimmte Größe haben, denn die Gradienten sind etwas verrauscht. Eine zu kleine Zelle wäre leicht auf einem lokalen Konzentrationsgipfel gefangen, da sie nicht „sehen“ kann, dass ein noch höherer Konzentrationsgipfel in der Nähe ist. Um ihr Konzept zu beweisen, „überschwemmten“ die Wissenschaftler den Chemokingradienten im Gewebe mit einem Überschuss an Chemokin und fanden, dass die Zellen nicht mehr in der Lage waren das Lymphgefäß zu finden. Wenn sie das Chemokin von der Verankerung im Gewebe lösten, waren die Zellen ebenfalls verwirrt. Das zeigt, dass der Gradient nicht löslich, sondern an das Gewebe gebunden ist.



Teilen

facebook share icon
twitter share icon
back-to-top icon
Nach Oben