14. Februar 2019
In Zebrafischeiern hemmt die am schnellsten wachsende Zelle ihre Nachbarn durch mechanische Signale
Wissenschafter des IST Austria entdecken neuen Mechanismus für die laterale Hemmung von Zellen | Studie in Cell erschienen
„The winner takes it all, the loser standing small“ – dieses Zitat aus dem berühmten ABBA-Lied trifft auch auf die Entwicklung von Tieren zu. Zumindest zu Beginn sind die Zellen in einer Gruppe alle gleich. Aber dann bremst eine Zelle ihre Nachbarn und sendet hemmende Signale, die ihre Differenzierung stoppen. Zum Schluss hat sich die „Siegerzelle“ anders entwickelt als ihre Nachbarn. Bisher war nur vom Notch-Delta-Signalweg bekannt, dass er für diese laterale Hemmung der Nachbarzellen verantwortlich sei. Postdoc Peng Xia und Professor Carl-Philipp Heisenberg am Institute of Science and Technology Austria (IST Austria) beschreiben in einer Studie in der heutigen Ausgabe von Cell einen neuen Mechanismus besagter lateraler Hemmung. In Zebrafisch-Ovarfollikeln nutzen Granulosazellen in der Hülle, die die Eizelle umgibt, nicht den Notch-Delta-Signalweg zur lateralen Hemmung, sondern konkurrieren mechanisch: Die Siegerzelle wächst schneller und hemmt das Wachstum ihrer Nachbarn, indem sie diese zusammendrückt. So wird sie zur einzigen „Mikropyle-Vorläuferzelle“ – einer Zelle, die später eine wichtige Rolle bei der Befruchtung der Eizelle spielt.
Größte Zelle drückt gegen Nachbarzellen und hemmt dort den TAZ-Signalweg
Granulosazellen bilden eine Hülle, die das Zebrafischei umgibt. Eine Zelle aus dieser Gruppe entwickelt sich deutlich anders; sie wird viel größer als alle anderen Zellen und zur sogenannten „Mikropyle-Vorläuferzelle“ (MPC). Postdoc Peng Xia und Carl-Philipp Heisenberg wollten verstehen, wie die MPC unter allen Granulosazellen, die sich ebenso zu einer MPC entwickeln könnten, ausgewählt wird.
Erste Experimente zeigten, dass der Notch-Delta-Signalweg, der in den meisten Situationen während der Entwicklung für die laterale Hemmung verantwortlich ist, nicht an der Spezifizierung der MPC beteiligt ist. Die Art und Weise, wie die MPC wächst und gegen ihre Nachbarzellen drückt, führte die Forscher jedoch zum nächsten Schritt: Sie beschlossen zu testen, ob dieses Ringen um mehr Platz eine Rolle spielt.
Mit ihrem Versuchsaufbau maßen die Forscher die Spannung im sich entwickelnden Gewebe und stellten fest, dass die MPC ihre Nachbarn klar komprimiert. Die Forscher schnitten dann die MPC heraus, um zu beobachten, was in ihrer Abwesenheit passiert. Während sich die MPC entwickelt, wäre normalerweise der auf mechanische Reize reagierende YAP/TAZ-Signalweg in der MPC aktiv. In den Nachbarzellen ist dieser Signalweg weniger aktiv. Nachdem die Forscher die MPC entfernt hatten, wurde das TAZ Protein in den Nachbarzellen wieder aktiv. Und die Zellen begannen erneut miteinander zu konkurrieren: Eine Zelle wurde immer größer und größer und „gewann“ das Rennen um den Titel der neuen MPC. „Dies imitiert den natürlichen Prozess, den wir sehen, wenn sich das Ei entwickelt. Wenn wir die MPC ausschalten, übernimmt eine andere Zelle ihre Rolle, indem sie wieder schnell wächst und ihre Nachbarn komprimiert“, sagt Erstautor Peng Xia. „In der MPC-Entwicklung erfolgt die laterale Hemmung nicht über den Notch-Signalweg, sondern wird durch mechanische Signale gesteuert, die die Aktivität von TAZ Protein bestimmen.“
Mikropyle bohrt Tunnel zur Eizelle und lässt so Befruchtung zu
Xia und Heisenberg konnten auch klären, weshalb die MPC so groß wird. Der TAZ-Signalweg in der MPC löst nicht nur das Zellwachstum aus, sondern führt auch zu einer extrazellulären Matrixdeposition um die MPC herum. Diese wiederum fördert durch Integrin-Adhäsionsrezeptoren die TAZ-Aktivität innerhalb der MPC. Diese positive Rückkopplung führt schließlich zu einer TAZ-Hyperaktivierung in der MPC und ihrem schnellen Wachstum. Die Größe der MPC ist entscheidend für ihre zukünftige Funktion: Sie bildet einen Tunnel durch das Chorion – die Hülle, die die Eizelle umgibt. Durch diesen Tunnel erreicht das Sperma die Eizelle und kann sie befruchten. Bei Fischen mit einer Mutation in TAZ entwickelt sich die MPC allerdings nicht richtig. Die Eier haben entweder keinen Tunnel oder derart seltsam geformte Tunnel, sodass das Sperma nicht in sie eindringen kann – daher werden die Zellen auch nicht befruchtet. So kann nun die Frage beantwortet werden, warum diese Fischlinie unfruchtbar ist.
Publikation:
Peng Xia, Daniel Gütl, Vanessa Zheden & Carl-Philipp Heisenberg. 2019. Lateral inhibition in cell specification mediated by mechanical signals modulating TAZ activity. Cell, vol. 176, issue 6, 1379-1392. DOI: 10.1016/j.cell.2019.01.019