22. April 2021
Ein Leuchtfeuer des wissenschaftlichen Erfolgs
Drei Wissenschafter des IST Austria sichern sich Fördermittel des Europäischen Forschungsrats von über 6 Millionen Euro.
In einer besonders konkurrenzbetonten Fördersaison (42 Prozent mehr Anträge als im Vorjahr) vergab der Europäische Forschungsrat (European Research Council, ERC) drei der prestigeträchtigsten Grants an das Institute of Science and Technology Austria. Die Professoren Thomas Henzinger, Leonid Sazanov und László Erdős erhielten jeweils einen Advanced Grant, der für bahnbrechende Forschung steht.
ERC-Präsident Professor Jean-Pierre Bourguignon beschreibt die diesjährige starke Konkurrenz: „Bei dieser letzten ERC-Ausschreibung im Rahmen von Horizon 2020 werden über 200 Forscher finanziert, um ihrem wissenschaftlichen Instinkt und ihren Träumen zu folgen. Doch die stark gestiegene Nachfrage führte zu einem sehr harten Wettbewerb: nur 8% der Kandidaten waren erfolgreich.“
Für Professor Erdös und Professor Henzinger ist es bereits das zweite Mal, dass sie diese renommierten Grants erhalten. Derzeit ist das IST Austria weltweit führend in Bezug auf erfolgreiche ERC-Anträge. Das sind die drei vom ERC ausgezeichneten Forschungsprojekte:
Software zur Überwachung von Software
Software erfüllt oft nicht die gleichen hohen Qualitätsstandards, die wir von anderen technischen Produkten erwarten. Selbst stetige Verbesserungen in der Qualitätssicherung für Software bleiben hinter der Geschwindigkeit zurück, mit der die Komplexität von Softwaresystemen wächst. Das wird in Zeiten von künstlicher Intelligenz, Cloud Computing und cyberphysischen Systemen wie dem computerunterstützten Fahren besonders deutlich. Mit dem neuen ERC Advanced Grant werden Thomas Henzinger und seine Gruppe am IST Austria theoretische Grundlagen für das Vigilant Algorithmic Monitoring Of Software (VAMOS) entwickeln. „Wir sind Ingenieur_innen. Wir wollen Methoden entwickeln, um die Software der Welt sicherer und gerechter zu machen“, erklärt Thomas Henzinger.
Die Idee ist, kritische Software von anderer, unabhängig entwickelter Software überwachen zu lassen, um mögliche Schwachstellen, Fehler und unfaire Entscheidungen so früh wie möglich zu erkennen. Das alles soll in Echtzeit während der Ausführung der überwachten Software geschehen. VAMOS wird durch die zunehmende Verfügbarkeit von Hardware-Ressourcen ermöglicht, also von Multicore-Prozessoren bis hin zu Rechenzentren. Das Projekt soll unsere Software-Infrastruktur robuster, zuverlässiger und vertrauenswürdiger machen. Für Thomas Henzinger ist der spannendste Aspekt der Informatik, dass theoretische Forschung unmittelbare praktische Auswirkungen haben kann: „Abstrakte Theorie führt direkt zu einem sichereren Lebensumfeld, zum Beispiel in Form von softwareunterstützten Fahrzeugen oder medizinischen Geräten.“
Sehen, was noch niemand je zuvor gesehen hat
Menschen, Tiere und Pilze wären nicht lebendig, wenn es keine Mitochondrien gäbe, jene Strukturen, die Energie für ihre Zellen produzieren. „Ich hoffe, dass wir in der Lage sein werden, die grundlegenden Prinzipien dieser molekularen Maschinen zu entdecken“, erklärt Leonid Sazanov. Sein ehrgeiziges Ziel ist es, das Geheimnis des mitochondrialen Energietransfers zu lüften.
Das geförderte Forschungsprojekt wird die am wenigsten verstandenen Membranproteinkomplexe in der biochemischen Kette der Atmung untersuchen. Um die Strukturen und Funktionsweisen dieser molekularen Maschinen aufzudecken, wird die Gruppe kryogene Elektronenmikroskopie einsetzen, eine hochauflösende Mikroskopie bei sehr niedrigen Temperaturen unter -150°C, die Elektronen statt Licht verwendet. Leonid Sazanov sagt: „Wenn man die Architektur eines neuen Proteins sieht und weiß, dass man der erste auf der Welt ist, der sie sieht – das ist der faszinierendste Teil eines jeden strukturbiologischen Projekts.“ Neuartige Methoden der Mikroskopie mit Zeitauflösung werden dabei entwickelt und angewendet. Damit könnten zentrale Fragen der Biologie gelöst und Ansätze zur Überwindung mitochondrialer Krankheiten beleuchtet werden.
Die Synergie aus theoretischer Physik, Wahrscheinlichkeitsrechnung und mathematischer Analysis
László Erdős und sein Team stellten sich der Herausforderung, eine wegweisende Idee des Nobelpreisträgers Eugene Wigner aus den 1950er Jahren mathematisch auszuarbeiten. „Wir wollen herausfinden, wie man die Zufallsmatrixtheorie von E. Wigner auf realistischere physikalische Modelle mit und ohne natürliche Symmetrien erweitern kann“, beschreibt László Erdős das Vorhaben. Durch die Analyse von Zufallsmatrizen und der Statistik ihrer Eigenwerte kann man Informationen über die Energieniveaus der ursprünglichen physikalischen Systeme abrufen, die durch die elementare Quantenmechanik beschrieben werden.
Für László Erdős ist die Kombination von verschiedenen Denkschulen faszinierend: „Dieses Projekt beinhaltet eine Synergie von Visionen aus der theoretischen Physik, Inspirationen aus der Wahrscheinlichkeitsrechnung und Techniken der harten mathematischen Analyse.“ Mit dem ERC Grant wird die Gruppe die aktuelle Zufallsmatrixtheorie auf neue Regime erweitern und mathematische Werkzeuge entwickeln, um mehrere Schlüsselprobleme anzugehen, wie zum Beispiel die Streutheorie von Quantenpunkten und Nanodrähte.
ERC am IST Austria
In der Wissenschaft werden Auszeichnungen und Ehrungen nur an die Besten der Besten vergeben. Daher sind diese Auszeichnungen für das IST Austria und seine Förderer_innen, das Land Niederösterreich und die Republik Österreich, auch ein wichtiger Gradmesser für die Qualität der durchgeführten Forschung.
Die Landeshauptfrau von Niederösterreich, Johanna Mikl-Leitner, gratuliert ausdrücklich: „Einmal mehr beweist das IST, dass mitten in Niederösterreich innerhalb kürzester Zeit eine Forschungsinstitution von Weltrang aufgebaut wurde. Das IST Austria steht somit auch sinnbildlich für unsere großen Anstrengungen in den Bereichen Wissenschaft und Forschung. Für uns bringt das IST Austria Internationalität und Innovationskraft, es stärkt den Erkenntnisgewinn und die Bildung und es ist ein Wirtschaft- und Arbeitsmarktmotor für den Standort Niederösterreich. Ich gratuliere den Ausgezeichneten jedenfalls sehr herzlich und wünsche alles Gute für die weiteren Forschungsarbeiten“
Derzeit halten die 65 Professoren am IST Austria zusammen 39 ERC Grants und zeigen damit, wie von Neugierde getriebene Forschung, ohne Zwänge oder vordefinierte Forschungsthemen, unterstützt durch modernste Infrastruktur, zu außergewöhnlichen Ergebnissen führen kann.