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29. Oktober 2020

Molekularer Kompass für die Ausrichtung von Zellen

Wissenschafter am IST Austria entdeckten, wie das Hormon Auxin Pflanzenzellen bei der Bildung und Regeneration von Adern koordiniert

Defective regeneration of wounded vasculature
Defekte Regeneration verletzter Gefäße
Die normale Regeneration einer Pflanzenwunde, im linken Bild führt zur Bildung vieler, neuer Gefäßzellen (in blau). Im rechten Bild fehlen diese ohne den CAMEL/CANAR-Rezeptorkomplex. Die Verletzung kann nicht richtig verheilen. © Jakub Hajný / IST Austria

Auch Pflanzen haben Adern, die Nährstoffe durch ihren ganzen Körper transportieren. Die Organisation dieser Adern wird durch einen besonders komplexen Mechanismus gesteuert. Das Hormon Auxin wandert von Zelle zu Zelle, gibt ihnen damit Positionsinformationen und koordiniert sie somit bei der Bildung der Adern. Bis jetzt war es ein Rätsel, wie die Zellen das Auxin-Signal in die Bildung des komplexen Venensystems übersetzen. Wissenschafter am Institute of Science and Technology (IST Austria) entdeckten nun einen molekularen Mechanismus, der eine lokale Auxin-Konzentration wahrnimmt. Diese Technik ermöglicht es den Zellen, ihr Verhalten zu synchronisieren, um die Venenbildung und Regeneration zu koordinieren. Die Forscher veröffentlichten ihre Studie in der Zeitschrift Science. Dieses Phänomen tritt auch bei der Wundheilung von Pflanzen auf und könnte zu neuen Erkenntnissen beim Erforschen von mechanisch widerstandsfähigeren Pflanzen.

Mit dem Blut pumpt der menschliche Körper Nährstoffe und Sauerstoff durch die Adern unseres Körpers. Pflanzen verwenden einen ähnlichen Mechanismus, das sogenannte Leitbündel- oder auch Gefäßsystem. Auch die pflanzlichen Venen transportieren Nährstoffe. Diese sind für das Überleben der Pflanze und die Größe, Struktur und Position ihrer Blätter entscheidend und ermöglichen die Kommunikation zwischen weit entfernten Pflanzenteilen. Nun entdeckten Wissenschafter aus der Gruppe von Prof. Jiří Friml vom IST Austria, wie das Hormon Auxin die Position von neuen Venen bestimmt. “Auxin entscheidet welche Zellen sich zu vaskulärem Gewebe entwickeln, wodurch es die komplizierten Venenmuster steuern kann.“, erklärt Jakub Hajný, der die Studie leitete. Nehmen die Zellen das Auxin-Signal nicht wahr, bilden sich unorganisierte Adern mit Unterbrechungen, die die Nährstoffverteilung einschränken. Im Falle einer mechanischen Beschädigung vermindert dies auch die Regeneration der Pflanze.   

Zellorientierung im Gewebe

Schon seit Jahrzehnten vermuteten WissenschafterInnen, dass Auxin das Kontrollsignal für die Venenbildung und Organisation der komplexen Muster ist. Bislang verstand jedoch niemand, wie Zellen dieses chemische Signal entschlüsseln können. Der Friml-Gruppe gelang es nun, die verantwortlichen Proteine, genannt CAMEL und CANAR, als Auxin-Sensor zu identifizieren. Der CAMEL/CANAR-Komplex nimmt vermutlich die Auxin-Konzentration in der Umgebung wahr und ermöglicht es den Zellen somit, ihre Ausrichtung zu synchronisieren, um Venen zu bilden. “Im Grunde funktioniert das System wie ein molekularer Kompass für die Zellorientierung. Anstelle eines Magnetfeldes wird jedoch die Auxin-Konzentration erfasst“, erklärt Jakub Hajný. Hiermit entdeckte das Team die molekulare Basis, die der Auxin-vermittelten Venenbildung und -regeneration zugrunde liegt.

Disorganized vascular system  © Jakub Hajný / IST Austria
Unorganisiertes Gefäßsystem
In Blättern der Pflanzen, denen ein Teil des Rezeptorkomplexes – CANAR fehlte, bildeten sich unzusammenhängende Adern (rechte Seite). Die linke Seite zeigt die normale Venenbildung. © Jakub Hajný / IST Austria

Publikation

Jakub Hajný, et.al. 2020. Receptor kinase module targets PIN-dependent auxin transport during canalization. Science. DOI: https://science.sciencemag.org/cgi/doi/10.1126/science.aba3178%20

Förderungsinformation

Dieses Projekt wurde vom Europäischen Forschungsrat (ERC) im Rahmen des Forschungs- und Innovationsprogramms “Horizont 2020” der Europäischen Union (Grant Agreement Nr. 742985) und vom Österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF) gefördert: I 3630-B25 an Jiří Friml. Jakub Hajný ist Empfänger eines DOC-Stipendiums der Österreichischen Akademie der Wissenschaften bei IST Austria



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