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18. September 2023

Sandra Siegert zur Professorin befördert

Forschung zu Mikroglia, Immunzellen im Gehirn, erhält mit ihrem Start-up neuen Schwung

Eine Wissenschaftskarriere, die in einer deutschen Kleinstadt begann, hat am Institute of Science and Technology Austria einen wichtigen Meilenstein erreicht: Die renommierte Neurowissenschafterin Sandra Siegert wurde vor Kurzem zur Professorin befördert.

Professorin Sandra Siegert untersucht die Rolle von Mikroglia im gesunden und erkrankten Gehirn. © Peter Rigaud/ISTA

Nach ihrer Tätigkeit am MIT kam Sandra Siegert 2015 als Assistenzprofessorin ans Institute of Science and Technology Austria (ISTA). Seitdem sie hier ihr Labor eingerichtet hat, hat sie das wissenschaftliche Know-how über Mikroglia – wichtige Immunzellen des Nervensystems – vertieft. Ihre Forschung wurde mit mehreren Preisen ausgezeichnet und international gefördert, zuletzt vom Europäische Forschungsrat (ERC) und einem Einzelstipendium des FWF.

„Es ist mir eine große Freude, die Beförderung von Sandra Siegert zur Professorin für ihre bemerkenswerten Beiträge zur Rolle der Mikroglia im Nervensystem bekannt zu geben. Bitte schließen Sie sich meinen Glückwünschen an sie an“, so Martin Hetzer, Präsident des ISTA, in einer E-Mail an die Campus-Gemeinschaft, in der er ihre Professur ankündigte.

Mutige Entscheidungen

Siegert ist stolz darauf, mit ihrer Leidenschaft und Kreativität für die Wissenschaft in der Forschung tätig zu sein. Dies sei mit der Unterstützung von Mentor:innen möglich geworden, die sie ermutigt und angeleitet haben, Hindernisse zu überwinden, mit denen sie konfrontiert war und immer noch ist, so die Neurowissenschafterin. Siegert stammt aus einer Arbeiter:innenfamilie und ist bei jedem Karriereschritt die Erste in ihrem Umfeld gewesen. Schon in der Grundschule wurde sie angetrieben, vorwärts zu gehen. „Ich wusste, dass meine beruflichen Perspektiven mit einer höheren Ausbildung besser sein würden. Aber die Überlegung, an der Universität zu studieren, fühlte sich irgendwie abwegig an und erforderte Mut“, erzählt die gebürtige Deutsche.

Ein naturwissenschaftliches Sommercamp an der TU Darmstadt brachte die junge Sandra Siegert dazu, darüber nachzudenken, die Wissenschaft zum Beruf zu machen. „In diesen zwei Wochen haben Experimente und der Umgang mit Chemikalien mein Interesse an den Naturwissenschaften geweckt“, so Siegert. „Im Biologieunterricht hatten wir gerade mit Neurowissenschaften und Genetik begonnen.“ Ein kurzes Schulreferat über die Funktion des Kleinhirns war eine weitere wichtige Weichenstellung. „Nach dem Referat wollte ich unbedingt verstehen, wie unser Gehirn funktioniert“, erinnert sich die Forscherin.

Der Weg zur eigenen Forschungsgruppe

Siegert studierte Biologie an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main. In den Semesterferien absolvierte sie freiwillig Praktika in verschiedenen Laboren, unter anderem am Max-Planck-Institut für Hirnforschung. „Hier kam ich zum ersten Mal mit dem visuellen System in Berührung, als wir die Verteilung von Zapfen- und Stäbchenphotorezeptoren in Netzhäuten verschiedener Spezies analysierten.“ Nach einer Exkursion im Rahmen ihrer Diplomarbeit in Virologie zur Überprüfung von Gentherapieansätzen gegen HIV-1 entschied sie sich, ein eigenes Forschungsprojekt zu entwickeln.

Ihr wissenschaftlicher Weg führte sie an verschiedenste Orte. Für ihre Promotion zog sie in die Schweiz, wo sie die genetische Transkriptionsvielfalt von Zelltypen der Netzhaut aufklärte, die zelltypspezifische therapeutische Interventionen ermöglicht – Studien, die im Labor von Botond Roska am Friedrich-Miescher-Institut in Basel durchgeführt wurden. „Sein Drang, mathematische Prinzipien auf die Neurowissenschaften anzuwenden, war ansteckend“, zeigt sich Siegert begeistert. „Das war die Zeit, in der ich die Programmiersprache R lernte und anfing, meine eigenen Skripte zur Analyse meiner Transkriptionsdaten zu schreiben – eine Fähigkeit, die ich nicht missen möchte.“

Während ihrer Postdoc-Zeit im Labor von Li-Huei Tsai am MIT untersuchte Siegert einen epigenetischen Regulator, der mit Schizophrenie in Verbindung gebracht wird, und dessen Einfluss auf die Gedächtnisbildung. Hier lernte sie auch die Auswirkungen von Mikroglia genannten Immunzellen auf die neuronale Funktion kennen.

Mikroglia – eines der brisantesten Themen der Gehirnforschung

Am ISTA entwickelte Siegert eine wichtige Forschungsprämisse: „Ich habe erkannt, dass Mikroglia künstlich in einen reaktiven und einen nicht-reaktiven Typus eingeteilt wurden, wobei die Unterkategorien nur lose definiert waren. Mir war jedoch unklar, welche Merkmale diese Taxonomie rechtfertigen. Ist es die Genetik, die Funktion, die Morphologie oder etwas Anderes?“ Sie nahm die Herausforderung an, eine Grundlage für die Klassifizierung von Mikroglia zu schaffen.

Mikroglia sind Zellen, die ihre Form mit ihrer Funktion verändern. Eine der allerersten Fragen, die sich Siegert am ISTA stellte, war, ob die Zellmorphologie ein echter Indikator für die Unterscheidung der verschiedenen Mikroglia-Populationen ist. „Als wir herkömmliche Strategien zur Analyse der Mikroglia-Morphologie angewandt haben, war es nicht möglich, Mikroglia aus verschiedenen kortikalen Regionen oder verschiedenen Geschlechtern zu unterscheiden. Daher war uns klar, dass die Ableitung ihrer Funktion ohne eine klare Definition der Morphologie eine Herausforderung ist. Inspiriert von einer Darstellung davon, wie die Prinzipien von Algebra auf die Morphologie von Neuronen angewandt werden können, haben wir eine Strategie entwickelt, die wir morphOMICS nannten. Damit ist es jetzt möglich, Unterschiede in der Morphologie von Mikroglia zu identifizieren“, so Siegert.

morphOMICS wird in der Fachwelt hoch gelobt. Die Siegert-Gruppe steht jedoch erst am Anfang. Indem sie morphOMICS weiterentwickelt, konzentriert sich ihre Gruppe nun auf die Beantwortung grundlegender Fragen wie: Welche Funktionen haben die Mikroglia in einem bestimmten morphologischen Zustand? Wie können wir ihre Interaktion mit Neuronen vorhersagen und welche Konsequenzen hat dies für das Verhalten? Und können bestimmte Stadien verhindert werden, um Krankheitszustände zu verbessern? Dieser Ansatz hat bereits zu vielen interessanten Erkenntnissen geführt.

Mit Licht gegen Depressionen

Im Zuge ihrer Arbeiten machte die Siegert-Gruppe eine verblüffende Entdeckung. In ihren Experimenten stellten sie fest, dass Mikroglia ihre Morphologie nach einer Behandlung mit Ketamin anpassen. Damit werden Mikroglia in die Lage versetzt, das perineuronale Netz zu entfernen – eine Struktur, die das Gehirn in einem funktionellen Zustand hält. Diese Arbeit wird nun eingesetzt, um eine neue Behandlung von Depressionen zu entwickeln, bei der Ketamin durch eine nicht-invasive Lichttherapie ersetzt wird, die nachweislich eine ähnliche Wirkung auf die Mikroglia hat. Mit Unterstützung von xista wurde ein neues Start-up namens Syntropic Medical GmbH gegründet, das diese Therapie in Zukunft anbieten möchte.

Siegert ist überzeugt, dass es mehr als 20 Jahre spannender wissenschaftlicher Erkenntnisse mit einigen mutigen Entscheidungen waren, die sie, gepaart mit Aufgeschlossenheit und Neugier, in ihre heutige Position gebracht haben. „Rückblickend bin ich erstaunt, wie ich all die Herausforderungen gemeistert habe, und ich beginne erst jetzt langsam zu realisieren, was ich bisher erreicht habe. Ich freue mich darauf, jetzt ein neues Kapitel in meiner Karriere aufzuschlagen.“



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