31. Oktober 2014
Verschaltung des Gehirns
Publikation in Science, mitverfasst von Simon Hippenmeyer, beschreibt neue Rolle von Neurotrophinen in der Entwicklung des Gehirns
Eine Studie, verfasst von William Joo und Liqun Luo an der Stanford University gemeinsam mit Simon Hippenmeyer, einem ehemaligen Postdoc von Liqun Luo und jetzt Assistant Professor am IST Austria, erscheint am 31. Oktober in Science (DOI: 10.1126/science.1258996) und beschreibt eine neue Rolle für Neurotrophine in der Gehirnentwicklung. Neurotrophine sind eine Familie von Proteinsignalen, die von Rezeptoren empfangen werden. Sie regeln Überleben, Differenzierung und Plastizität von Neuronen. Die Forscher fragten daher, welche Rolle Neurotrophine während der Verknüpfung von Neuronen spielen, bei der diese funktionierende Schaltkreise bilden. Sie untersuchten das Neurotrophin-3 (NT-3) Signal und seinen Rezeptor TrkC. Diese wurden bisher noch nicht gut erforscht, da das Entfernen des gesamten NT-3 oder TrkC zu einem frühen Tod führt, noch bevor die Gehirnentwicklung abgeschlossen ist. Um dieses Problem zu umgehen, verwendeten die Autoren die MADM Technik, mit der sie die TrkC Rezeptoren von nur wenigen Neuronen entfernen können. Gleichzeitig können sie diese Neuronen mit einem Farbmarker kennzeichnen.
Eine bestimmte Art von Projektionsneuronen im Kleinhirn, die sogenannten Purkinjezellen, haben normalerweise sehr verzweigte Dendriten, welche die neuronalen Eingangssignale empfangen. Wenn die Forscher TrkC Rezeptoren von wenigen Purkinjezellen entfernen, sind deren Dendriten-„Bäume“ verkümmert: die Dendriten haben weniger und kürzere Zweige. Wenn sie TrkC Rezeptoren von allen Purkinjezellen entfernen, sehen die Dendritenbäume allerdings normal aus. Die Autoren nehmen daher an, dass hier ein auf Konkurrenz beruhender Mechanismus am Werk ist, bei dem die Form des Dendritenbaumes von den relativen Unterschieden in der TrkC Signalisierung abhängt. Das würde erklären, weshalb wir Defekte sehen, wenn die Neurotrophin-Signalisierung in manchen Zellen reduziert ist, aber nicht, wenn sie in allen Zellen reduziert ist. Die Forscher zeigen in weiteren Experimenten, dass das NT-3 Signal von Granularzellen produziert wird, die Input an die Dendriten der Purkinjezellen schicken. Wenn die Forscher das NT-3 Signal von allen Granularzellen und gleichzeitig den TrkC Rezeptor von einzelnen Purkinjezellen entfernen, sieht der Dendritenbaum normal aus. Das ist anders als die verkümmerten Bäume die sie sehen, wenn sie nur den TrkC Rezeptor von einzelnen Purkinjezellen entfernen.
Die Ergebnisse legen nahe, dass Granularzellen NT-3 produzieren, das wiederum notwendig ist, um den Dendritenbaum von Purkinjezellen zu formen. Es agiert durch einen kompetitiven Mechanismus, der vom TrkC Rezeptor abhängt. Unterschiede in der NT-3/TrkC Signalisierung zwischen Purkinjezellen beeinflussen die Dendritenform: Zellen mit niedrigeren Levels an TrkC haben verkümmerte Dendritenbäume, während Zellen mit höheren TrkC Levels lange, verzweigte Dendrite besitzen. Joo, Hippenmeyer und Luo enthüllen so eine neue Rolle für Neurotrophine in der Verschaltung des Gehirns. Diese Rolle ist analog zur klassischen Theorie der Neurotrophine, die besagt, dass Axone um neurotrophe Faktoren aus Zielgeweben konkurrieren, die das Axonwachstum retrograd unterstützen. Diese neuen Entdeckungen legen nahe, dass wachsende Dendriten für kompetitives Dendritenwachstum und Verzweigung neurotrophe Faktoren von ihren presynaptischen Partnern benötigen.