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29. Dezember 2016

Der Rhythmus, der die Erinnerung festigt

Wissenschaftler des IST Austria identifizieren den Mechanismus der rhythmische Hirnwellen reguliert • Synaptische Inhibition ist der Schlüssel zu nachhaltigen Erinnerungen

Jedes Mal wenn wir etwas Neues lernen, muss die Erinnerung daran nicht nur angelegt, sondern auch gefestigt werden. Dieser Prozess nennt sich Gedächtniskonsolidierung und es ist bekannt, dass bestimmte Gehirnwellen dabei eine entscheidende Rolle spielen. Welcher Mechanismus ihnen jedoch zugrunde liegt und ihre Form und ihren Rhythmus diktiert, war bisher unklar. Eine in Neuron publizierte Studie zeigt nun, dass eine der Wellen, die für die Gedächtniskonsolidierung verantwortlich ist, von synaptischer Inhibition dominiert wird.

So genannte Sharp Wave Ripples (SWRs) gehören zu den drei wichtigsten Hirnwellen, die vom Hippocampus ausgehen. In der neuen Studie, einer Kooperation zwischen den Forschungsgruppen um die Professoren Peter Jonas und Jozsef Csicsvari, beide vom Institute of Science and Technology Austria (IST Austria), konnte jetzt der Mechanismus gefunden werden, der diese Oszillation der neuronalen Aktivität in Mäusen erzeugt. „Unsere Resultate geben darüber Aufschluss, welcher Mechanismus diesen hochfrequenten Netzwerkoszillationen zugrunde liegt. Da unsere Experimente sowohl Informationen zur Phase als auch zur Position der zugrunde liegenden Leitfähigkeit liefern, konnten wir zeigen dass es zeitlich genau abgestimmte synaptische Inhibition ist, die die Sharp Wave Ripples erzeugt“, erklärt Professor Peter Jonas.

Wenn Neuronen synchron oszillieren, summiert sich ihre elektrische Aktivität, sodass Messungen des Feldpotentials möglich werden. SWR sind eine der synchronsten Oszillationen im Gehirn. Ihr Name leitet sich von der charakteristischen Form ab, die bei der Messung des lokalen Feldpotentials zu Tage tritt: die langsamen Wellen haben eine scharfe, dreieckige Form mit einer überlagerten Kräuselung („Ripples“), die durch schnelle Feldoszillationen zustande kommt. Es wird angenommen, dass SWRs eine Schlüsselrolle in der Gedächtniskonsolidierung spielen. In dieser Studie wollten die Forscher ergründen, ob die „Ripples“ durch zeitliche Modulation der Exzitation oder der Inhibition der Synapsen, also der Verbindungen zwischen den Neuronen, verursacht werden. Für Professor Jozsef Csicsvari war dafür das Zusammenführen unterschiedlicher Expertisen unerlässlich: „SWRs spielen eine wichtige Rolle im Gehirn, aber die Mechanismen die sie erzeugen waren bisher nicht identifiziert – vermutlich aufgrund der technischen Limitationen in den Experimenten. Wir haben nun die Expertise der Forschungsgruppe um Peter Jonas im Aufzeichnen unter Voltage-Clamp-Bedingungen mit der Erfahrung meiner eigenen Gruppe in der Analyse von elektrischen Signalen in aktiven Mäusen kombiniert. Diese Kollaboration ermöglichte noch nie da gewesene Messungen und wir konnten somit die ersten hochaufgelösten Aufzeichnungen von synaptischen Strömen während der SWR in wachen, aktiven Mäusen durchführen.“

Die Neurowissenschaftler fanden dass sich die Frequenz sowohl der exzitatorischen als auch der inhibitorischen Ereignisse an der Synapse während der SWRs erhöhte. Aber quantitativ dominierte während der Erzeugung der SWR die synaptische Inhibition, also die Hemmung, über die Exzitation. Darüber hinaus korrelierte die Stärke der synaptischen Inhibition mit der Amplitude der SWRs, was darauf hindeutet, dass die inhibitorischen Ereignisse die Oszillation antreiben. Inhibitorische Ereignisse waren mit individuellen Zyklen der Ripple-Oszillationen phasengebunden. Schließlich konnten die Forscher auch zeigen, dass die sogenannten PV+ Interneuronen  – Neuronen, die inhibitorischen Output an andere Neuronen liefern – hauptverantwortlich für die Erzeugung von SWRs sind.

Die Autoren schlagen nun ein Modell vor, an dem zwei bestimmte Regionen des Hippocampus, CA1 und CA3 beteiligt sind. Ihrem Modell zufolge werden SWRs durch eine Kombination von tonischer Exzitation durch die CA3 Region und phasischer Inhibition in der CA1 Region erzeugt. Jian Gan, Erstautor der Studie und Postdoc in der Gruppe von Peter Jonas, erklärt die Implikationen der temporalen Codierung der Information in der CA1 Region: „In unserem Ripple-Modell sorgt die Inhibition für das präzise Timing der feuernden Neuronen. Das könnte äußerst wichtig für das Abspielen von neuronalen Aktivitätssequenzen und für das Festigen des Gedächtnisses sein. Inhibition könnte der Hauptakteur der Gedächtniskonsolidierung sein.“



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