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21. Mai 2025

Der Schatten eines Elektrons

Quantenprozessoren: Spin-Qubits und die Spur „fehlender Elektronen“

Im Wettlauf um die Entwicklung und Vermarktung praxistauglicher Quantencomputer widmen Forscher:innen der Katsaros Gruppe am ISTA ein besonderes Augenmerk der faszinierenden Physik spezieller Qubits, die in dem Halbleiter Germanium erzeugt werden. Indem sie die Reaktion dieser sogenannten „Loch-Spin-Qubits“ auf magnetische und elektrische Felder nutzen, beantworten sie grundlegende Fragen zur Physik, die zur Weiterentwicklung von Quantenprozessoren beitragen könnten. Die Ergebnisse wurden in Nature Communications veröffentlicht.

Erstautor und PhD-Student Jaime Saez-Mollejo im Labor am ISTA.
Der Erstautor und PhD-Student Jaime Saez-Mollejo im Labor am ISTA. © ISTA

Laut einem kürzlich erschienenen TIME-Artikel besteht kaum Zweifel daran, dass das Quantenzeitalter begonnen hat. Wo genau wir uns auf dem Weg zu praktischen Quantencomputern befinden, ist nach wie vor umstritten. Wir sind zuversichtlich, dass Quantencomputer eines Tages klassische Computer bei der Lösung bestimmter Probleme übertreffen werden. Dieses Ziel zu erreichen, ist jedoch alles andere als einfach. Zahlreiche Forschungsprojekte arbeiten weltweit daran, die unterschiedlichsten Facetten der Quantenwissenschaft und -technologie voranzutreiben, um den vielversprechendsten Ansatz für diesen technologischen Durchbruch zu finden.

Die Gruppe um Georgios Katsaros am Institute of Science and Technology Austria (ISTA) interessiert sich besonders für ein Material, das für Quantenprozessoren relevant ist. Im Gegensatz zu anderen Materialien, deren natürliche Ladungsträger Elektronen sind, transportiert der Halbleiter Germanium elektrische Ladung mithilfe von „fehlenden Elektronen“, sogenannten „Löchern“.

Löcher verhalten sich wie positiv geladene Teilchen, die den Strom transportieren. „Germanium ist einer der am häufigsten verwendeten Halbleiter. Es ist vor allem dafür bekannt, dass es 1947 im ersten funktionierenden Transistor verwendet wurde. Es zeigt wunderschöne physikalische Eigenschaften, die auch nach so vielen Jahrzehnten noch nicht vollständig geklärt sind“, erklärt Katsaros. Aber wie kann die Abstimmung der Eigenschaften fehlender Elektronen in Germanium dazu beitragen, die Quanteninformatik voranzubringen?

Experimental- und theoretische Physiker:innen sowie Materialwissenschafter:innen um Katsaros und ISTA-Doktorand Jaime Saez-Mollejo haben nun grundlegende Fragen zu Germanium-Löchern beantwortet. Ihre Erkenntnisse könnten dazu beitragen, Quantenprozessoren weiterzuentwickeln.

Mithilfe eines Chips aus dem Halbleiter Germanium konnten die Autor:innen neue Erkenntnisse über das Quantenverhalten von Loch-Spin-Qubits gewinnen.
Die Spur „fehlender Elektronen“ in Spin-Qubits beeinflussen. Mithilfe eines Chips aus dem Halbleiter Germanium konnten die Autor:innen neue Erkenntnisse über das Quantenverhalten von Loch-Spin-Qubits gewinnen. © ISTA

Wenn Elektronen magnetische „Schatten“ hinterlassen

Elektronen sind in allen Atomen, die uns umgeben, vorhanden. Wenn ein Elektron seine Bahn um den Atomkern verlässt, entsteht durch seine Abwesenheit eine positive Nettoladung im Material. Solche Löcher können in Halbleitermaterialien wie Germanium gezielt erzeugt werden. Ähnlich wie Elektronen können sich auch Löcher unter dem Einfluss elektrischer Felder im Material bewegen. Genau diese Eigenschaften machen Germanium für die Quantentechnologie so interessant.

Die „fehlenden Elektronen“ behalten ihre magnetischen Eigenschaften bei. Bekannt als „Spins“ zeigen sie in eine bestimmte Richtung, wie magnetische „Schatten“ der nicht vorhandenen Elektronen. Solche „Loch-Spins“ sind wertvolle Einheiten, die als Quantenbits oder „Qubits“ fungieren könnten – die grundlegenden Bausteine von Quantensystemen, die in Anlehnung an die „Bits“ der klassischen Berechnung benannt wurden. So ermöglichen Löcher in Germanium sogenannte „Loch-Spin-Qubits“, also spezielle Qubits, die sich zu einem wichtigen Baustein für halbleitende Quantenprozessoren entwickeln. Es wird noch ein wenig komplexer – schnallen wir uns an.

Zwei Punkte, ein Qubit

Ob in Elektronen oder Löchern: Zwei Spins gelten als isoliert, wenn sie weit voneinander entfernt sind. Umgekehrt können sie, wenn sie im Material nahe beieinander liegen, miteinander interagieren und Quanteneigenschaften zeigen.

„In unserer Arbeit haben wir uns mit einer grundlegenden Frage beschäftigt: Wie lassen sich zwei interagierende Loch-Spins in Germanium ausrichten und damit steuern?“, erklärt Saez-Mollejo, der Erstautor der Studie. Mit seinen Kolleg:innen untersuchte er die Parameter, mit denen sich zwei Spins mithilfe von magnetischen und elektrischen Feldern abstimmen lassen.

Zu diesem Zweck fertigten sie in Zusammenarbeit mit Materialwissenschafter:innen der Polytechnischen Universität Mailand einen Chip an. Mit diesem Chip konnten sie zwei Spins an bestimmte Stellen auf der dünnen Germaniumschicht leiten, die nahe genug beieinander sind, um miteinander zu interagieren. Die Stellen, an denen die Löcher eingeschlossen sind, sind nur wenige zehn Nanometer groß – vergleichbar mit den Abmessungen von Molekülen – und werden daher als „Quantenpunkte“ bezeichnet. Zwei dieser Punkte auf einem Chip ergibt ein „Doppelquantenpunkt-Bauelement“. Zusammen fungieren die beiden Quantenpunkte als Qubit, das aus zwei „Schatten“ fehlender Elektronen besteht.

„Die Zeit, während der das Qubit Quanteninformationen speichert, hängt davon ab, wie die Loch-Spins abgestimmt und ausgerichtet sind. Dies wird als ‚Kohärenzzeit‘ bezeichnet. Wenn wir die Parameter finden, die die Ausrichtung der Spins beeinflussen, könnten wir die Quantenzustände in den Qubits besser kontrollieren. Letztendlich ist es genau das, was ihnen ermöglicht, Quantenberechnungen durchzuführen“, so Saez-Mollejo weiter.

Die „fehlenden Elektronen“ in Germanium, auch „Löcher“ genannt, haben physikalische Eigenschaften, die so gesteuert werden können, dass sie als Qubits in Quantenprozessoren fungieren.
Die „fehlenden Elektronen“ in Germanium, auch „Löcher“ genannt, haben physikalische Eigenschaften, die so gesteuert werden können, dass sie als Qubits in Quantenprozessoren fungieren. © ISTA

Unterschiedliche Reaktionen auf magnetische und elektrische Felder

Wenn ein Magnetfeld in die gleiche Richtung wie das dünne, planare Germanium zeigt, spricht man davon, dass es auf gleicher Ebene wie das Material liegt (Englisch: „in-plane“). Liegt das Feld hingegen senkrecht zur Germaniumschicht, spricht man von einer Ausrichtung „out-of-plane“.

Mithilfe mathematischer Modelle, numerischer Simulationen und Experimenten konnten die Autor:innen aufklären, wie die Quantenzustände der Spins unter verschiedenen Bedingungen interagieren. „Wir konnten zeigen, dass sich die Spins sehr gut ausrichten, wenn das Magnetfeld ‚out-of-plane‘ liegt“, erklärt Saez-Mollejo. „Wenn das Magnetfeld jedoch ‚in-plane‘ zum Germanium ist, sind die Spins um 45 Grad versetzt.“

Als die Forschenden anschließend die Auswirkungen der elektrischen und magnetischen Felder auf die Spins analysierten, stellten sie fest, dass die Spins unterschiedlich darauf reagierten. Die Fehlausrichtung (Englisch: „misalignment“) der Spins hing zwar von der Richtung des Magnetfelds ab, aber auch von der Stärke und Richtung des elektrischen Felds. Mithilfe von Theoretiker:innen vom QuTech an der Technischen Universität Delft, lieferte das Team außerdem ein Protokoll zur Quantifizierung der Fehlausrichtung der Spins unter verschiedenen Bedingungen.

Erstautor und PhD-Student Jaime Saez-Mollejo im Labor am ISTA.
Der Erstautor und PhD-Student Jaime Saez-Mollejo im Labor am ISTA. © ISTA

Ein Schritt in Richtung Quantenprozessoren

Die aktuellen Erkenntnisse zu Halbleiter-Spin-Qubits befassen sich mit grundlegenden Fragen zur Realisierbarkeit zukünftiger Quantenprozessoren. Im Gegensatz zu Elektronen-Spins haben Loch-Spin-Qubits physikalische Eigenschaften, die die Herstellung von Chips ermöglichen, die keine Mikromagnete auf dem Chip benötigen. Diese vereinfachten Herstellungsanforderungen würden eine Steigerung der Qubit-Anzahl auf Prozessorchips ermöglichen. Somit könnte das Verständnis des Verhaltens von Loch-Spins in Germanium-Doppelquantenpunkt-Bauelementen eine Grundlage für die Entwicklung zukünftiger Halbleiter-Quantenprozessoren bilden.

„Unsere Arbeit könnte ein kleiner Schritt vorwärts in der vollständigen Entwicklung von Quantenprozessoren sein. Angesichts der Größe des Bereichs der Quanteninformatik betrachte ich unseren Beitrag gerne als ein kleines Sandkorn, welches eine Wirkung haben könnte“, fasst Saez-Mollejo zusammen.

Die vorliegende Forschung wurde in Zusammenarbeit mit Materialwissenschafter:innen der Polytechnischen Universität Mailand, Italien, und Theoretiker:innen vom QuTech an der Technischen Universität Delft, Niederlande, durchgeführt.

Indem sie die Reaktion von Loch-Spin-Qubits auf magnetische und elektrische Felder nutzen, beantworten die ISTA-Forscher:innen grundlegende Fragen zur Physik, die zur Weiterentwicklung von Quantenprozessoren beitragen könnten.
Indem sie die Reaktion von Loch-Spin-Qubits auf magnetische und elektrische Felder nutzen, beantworten die ISTA-Forscher:innen grundlegende Fragen zur Physik, die zur Weiterentwicklung von Quantenprozessoren beitragen könnten. © ISTA

Publikation:

Jaime Saez-Mollejo, Daniel Jirovec, Yona Schell, Josip Kukucka, Stefano Calcaterra, Daniel Chrastina, Giovanni Isella, Maximilian Rimbach-Russ, Stefano Bosco & Georgios Katsaros. 2025. Exchange anisotropies in microwave-driven singlet-triplet qubits. Nat Communications. DOI: 10.1038/s41467-025-58969-y

Projektförderung:

Dieses Projekt wurde durch Mittel aus der NOMIS Foundation, dem Projekt HORIZON-RIA 101069515, den FWF-Projekten mit den DOI:10.55776/F86 und DOI:10.55776/I5060, der Niederländischen Organisation für wissenschaftliche Forschung (NWO) im Rahmen des Veni-Stipendiums VI.Veni.212.223 und dem Army Research Office unter der Fördernummer W911NF-23-1-0110 finanziert.



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