28. Oktober 2020
Elemente der Zukunft
ForscherInnen untersuchen die Grundlagen und Anwendungen vergessener Elemente zur Energiespeicherung.
Die Entwicklung leistungsfähiger Lithium-Ionen-Batterien war ein Segen, aber sie tragen auch zu erheblichen Problemen in vielen Teilen der Welt bei. Fragwürdige Rohstoffquellen und wirtschaftliche Engpässe bei der Versorgung mit den in ihnen enthaltenen Elementen sowie ein ständig wachsender Bedarf an Energiespeichern erfordern neue Forschung und Ideen, wie das Design von Batterien erneuert werden kann. Stefan Freunberger am Institute of Science and Technology Austria (IST Austria) beschäftigt sich nun mit diesen Fragen.
Batterien sind für unsere Welt der modernen Elektronik von entscheidender Bedeutung, aber sie sind in Schwierigkeiten. Mehrere Faktoren erschweren ihre künftige Herstellung und Verwendung, insbesondere bei den weit verbreiteten Lithium-Ionen-Batterien. Diese Art von Batterien findet man in jedem Mobiltelefon, Laptop und Elektroauto, doch ihre Bestandteile bringen einige wirtschaftliche, technische und ethische Schwierigkeiten mit sich. Die neu eingerichtete Forschungsgruppe von Stefan Freunberger am Institute of Science and Technology Austria (IST Austria) bearbeiten nun diese Problemen mit Grundlagenforschung in der Elektrochemie.
Doch zunächst einmal: Wie funktioniert eine solche Batterie? In ihrer einfachsten Form besteht eine Batterie aus einem Behälter, der mit einer Lösung gefüllt ist, in der sich Ionen bewegen können—dem Elektrolyten. In diesen werden zwei getrennte Teile aus elektrochemisch aktiven Materialien wie zum Beispiel Metallen eingesetzt, die Anode und Kathode genannt werden. Wenn diese Teile über einen Draht in einem externen Stromkreis, beispielsweise in einem Telefon, verbunden sind, liefert die Batterie Strom. Dies geschieht, weil das Material in der Anode oxidiert wird und positiv geladene Metallionen in den Elektrolyten abgegeben werden, wo sie sich zur anderen Elektrode, der Kathode, bewegen können. Negativ geladene Elektronen wiederum fließen als Strom durch den externen Stromkreis zur Kathode. Dort rekombinieren sie mit den positiv geladenen Ionen, die durch den Elektrolyten geflossen sind. Allgemeiner ausgedrückt ist eine Batterie eine Kombination von Elektrodenmaterialien, bei der negative oder positive Ionen, die im Elektrolyten beweglich sind, bei unterschiedlichen elektrischen Potenzialen absorbiert oder freigesetzt werden und so die elektrische Spannung erzeugen.
Freie Elektronen sammeln
Heutzutage enthalten die Lithium-Ionen-Batterien in unseren Geräten die Elemente Lithium, Kobalt und Nickel in verschiedenen chemischen Verbindungen. Ihre Entwicklung ermöglichte eine enorme Steigerung der Energiedichte im Vergleich zu den klassischen Zink- und Manganbatterien, den Zylindern, die in der Fernbedienung eines Fernsehers stecken. Doch die weltweit steigende Nachfrage nach Batterien, insbesondere für Elektrofahrzeuge, erfordert neue Innovationen bei ihrer Konstruktion. Ein Schlüsselproblem der Lithium-Ionen-Batterien ist, dass sie auf seltenen, giftigen und schweren Elementen aus der Gruppe der so genannten Übergangsmetalle wie Kobalt basieren. Zudem geben sie nur maximal ein Elektron pro Atom ab, was die erreichbare Energiedichte begrenzt. Die Forscher untersuchen daher viele verschiedene Kombinationen chemischer Verbindungen und deren Wechselwirkungen untereinander.
Der Ansatz von Stefan Freunberger und seiner Gruppe am IST Austria besteht darin, Verbindungen zu verwenden, die sich aus sogenannten Hauptgruppenelementen wie Sauerstoff, Stickstoff, Schwefel, Phosphor, Kohlenstoff oder Jod zusammensetzen. Sie sind nicht nur sehr reichlich vorhanden, billig und leicht, sondern können auch mehrere Elektronen pro Atom aufnehmen oder abgeben. Auf diese Weise werden mehr Elektronen in der Batterie frei, um durch den externen Draht zu fließen, sodass mehr Energie gespeichert werden kann.
In diesem Jahr begannen die Forscher, Phosphor als einen vielversprechenden Kandidaten zur Verbesserung von Batterien zu untersuchen. In ihrem Labor erforschen sie, wie Phosphoratome dazu gebracht werden können, bis zu fünf Elektronen aufzunehmen. Ähnlich wie bei der Freisetzung von Elektronen erhöht die Aufnahme von mehr Elektronen an der Kathode auch den bereitgestellten Strom. Bei früheren Anwendungen nahm jedes Atom nur bis zu drei Elektronen auf. In einer weiteren Studie analysieren sie den Einsatz von Schwefel, der sogar bis zu acht Elektronen pro Atom freisetzen kann.
Eine weitere Innovation ist eine neue Art der Strukturierung des Inneren der Batterie. In einem neu veröffentlichten Paper in Nature Communications, das von Stefan Freunberger mitverfasst wurde, untersuchen die ForscherInnen, wie Kohlenstoff mit winzigen Poren von wenigen Nanometern (einem Milliardstel Meter) die Selbstentladung in Jodbatterien verlangsamen kann. Das Jod lagert sich in den Poren ab und behält so die gewünschten chemischen Eigenschaften.
Damit diese chemischen Reaktionen wie beabsichtigt ablaufen, müssen viele Einzelschritte untersucht werden. Die ForscherInnen müssen die richtigen Elemente und Molekülverbindungen sowie spezifische Katalysatoren—andere Chemikalien, die die Reaktionen ermöglichen—finden. Diese Forschung wird in den neuen chemischen Laboren des neuesten Gebäudes des IST Austria, Lab 5, fortgesetzt, das sich derzeit im Bau befindet und 2021 eröffnet werden soll.
Auf der Suche nach nachhaltigen Atome
Stefan Freunberger nennt seine Sorge um Nachhaltigkeit als Motivation für seine Forschung: „Für mich sind sowohl das Studium der Grundlagen der Elektrochemie als auch die mögliche Entwicklung einer Anwendung interessant, insbesondere wenn sie dazu beitragen, nachhaltigere Produkte zu etablieren.“
Der Übergang zu nachhaltigen Energiequellen erfordert mehr und stärkere Batterien für Elektrofahrzeuge, aber auch für stationäre elektrische Speicher zu Hause oder im industriellen Maßstab. Die Anzahl der verfügbaren Lithiumvorkommen in der Welt würde die Produktion von Lithium-Ionen-Batterien nicht einschränken. Dennoch könnte ihre Konzentration auf einige wenige Gebiete—hauptsächlich Südamerika, Australien und China—wirtschaftliche Schwierigkeiten für eine stetig steigende Nachfrage in der Zukunft darstellen.
Die Kobaltvorkommen sind noch stärker konzentriert, vor allem in der Demokratischen Republik Kongo. Ähnlich wie bei Lithium leidet die Produktion dieses Elements nicht nur unter wirtschaftlichen, sondern auch unter massiven ökologischen und ethischen Problemen. Die Demokratische Republik Kongo produziert mehr als die Hälfte des weltweiten Kobaltvorrats, oft in kleinteiligen, nicht industrialisierten Bergwerken mit katastrophalen Beschäftigungs- und Sicherheitsstandards, einige sogar unter Einsatz von Kinderarbeit.
Sowohl die Produktion von Kobalt als auch von Lithium, neben anderen Elementen, verursacht auch enorme Umweltschäden durch die Verschmutzung durch Chemikalien und Abfälle sowie durch die Beanspruchung großer Teile der lokalen Wasserversorgung für industriellen Prozesse. Der Ersatz von Kobalt und Lithium durch reichlich vorhandene Elemente wie Phosphor oder Schwefel könnte nicht nur die in den Batterien gespeicherte Energie erhöhen, sondern auch die wirtschaftlichen Anreize für ausbeuterische und schädliche Praktiken verringern.
Nach seinem Chemiestudium in Wien, Zürich und Kanada arbeitete Stefan Freunberger als Wissenschafter in Grossbritannien und Frankreich und wurde Gruppenleiter an der Technischen Universität Graz. Am IST Austria wird er seine Forschung über die Grundlagen der Elektrochemie in Batterien und andere Anwendungen wie die Elektrosynthese fortsetzen. Die von ihm und seiner Gruppe untersuchten Innovationen könnten den Grundstein für ein nachhaltigeres Energiesystem und eine umweltfreundliche Produktion legen.