4. September 2024
Sauberer als sauber
Ein Blick in die Nanofabrication Facility am ISTA
In der Nanofabrication Facility (NFF) am Institute of Science and Technology Austria (ISTA) werden winzig kleine Materialien verarbeitet, um Forschungsfragen in den Bereichen Materialwissenschaft, Quanteninformatik und Biowissenschaften zu klären. In speziellen, nahezu keimfreien Räumen bedienen Wissenschafter:innen in weißen Overalls komplexe Maschinen und Mikroskope. Begleiten Sie uns zu den verborgenen Orten eines Forschungsinstituts.
Österreich, Klosterneuburg, im Erdgeschoss des Lab Building West am ISTA Campus. Man bewegt sich vorbei an Laboren und Wissenschafter:innen, plötzlich versperrt eine riesige Sicherheitstür den Weg. Hinter ihr liegt ein Raum, der glatt einem Science-Fiction-Film entsprungen sein könnte – vielleicht eine Raumstation oder ein Stützpunkt am Mars?
„Bevor du die Umkleidekabine betrittst, musst du deine Schuhe einhüllen und auf die Klebefolie treten, um die Sohlen zu reinigen.“ Matko Kandzija und Evgeniia Volobueva, zwei Mitarbeiter:innen der Nanofabrication Facility (NFF), begrüßen einen im Reinraum (engl. „cleanroom“). Ein automatischer Schuhüberzieher umhüllt die Füße mit blauer Folie. Die Sicherheitstür piept und schließt sich automatisch. Weiter kommt man nicht. Nur autorisierte Wissenschafter:innen und Mitarbeiter:innen dürfen die Reinräume betreten.
Der “Bunny Suit“
Ein Reinraum ist nicht einfach nur rein, er ist eine sorgfältig kontrollierte Umgebung, in die nahezu keine Partikel, Schadstoffe oder Verunreinigungen hineingelangen. Die Vorschriften sind sehr streng, selbst die kleinste Kontamination kann die Funktionalität oder Qualität der darin produzierten Bauteile beeinträchtigen. Zentral dafür ist ein spezieller Luftfilter. „Dieser ist so konzipiert, dass er Partikel einfängt – von Staub über Pollen bis hin zu Bakterien“, erklärt Salvatore Bagiante, Leiter der Nanofabrication Facility (NFF) am Institute of Science and Technology Austria (ISTA).
Die meisten Verunreinigungen im Reinraum stammen vom menschlichen Körper. Die Wissenschafter:innen müssen daher beim Betreten spezielle Anzüge tragen. Diese Anzüge, auch „Bunny Suits“ genannt, bestehen aus Materialien, von denen keine Partikel abfallen können. Sie verfügen über elektrostatisch ableitende Eigenschaften. Sie reduzieren die statische Elektrizität der Oberfläche, die eventuell Partikel anziehen könnte. Nach jedem Gebrauch werden die getragenen Anzüge gereinigt und in einer sogenannten „Hood“ aufbewahrt. „Das ist eine Art Kleiderschrank mit einem Belüftungssystem, welches saubere Umluft zirkulieren lässt. So werden alle Partikel entfernt, die an den Anzügen haften“, erklärt Kandzija.
Materialien im Nanomaßstab
Kandzija und Volobueva führen einen weiter in die Tiefen des Lab Building West. Eine transparente Glaswand trennt uns nun von den Reinräumen. Im Inneren huschen makellos weiße „Bunny Suits“ herum. Die NFF ist Teil der wissenschaftlichen Services (Scientific Service Units, SSUs) am ISTA und bietet modernste Laboratorien auf 450 m². Diese Einrichtung kombiniert verschiedene Reinraumklassen, die sich durch die maximal zulässige Partikelanzahl pro Kubikmeter Luft unterscheiden, und mehrere Charakterisierungslabore.
„In der NFF helfen wir PhD-Student:innen, Postdocs und Gruppenleiter:innen dabei, ihre Ideen in die Tat umzusetzen“, erklärt Salvatore Bagiante. Die NFF stellt Werkzeuge zur Verfügung, mit denen man Geräte auf Nanoebene bauen kann – also im Bereich von Millionstel Millimeter. Dadurch unterstützt sie verschiedenste Forschungsprojekte, von Materialwissenschaft über Quanteninformatik bis hin zu Biowissenschaften. Bei diesen Geräten handelt es sich beispielsweise um kleine Elektronikbauteile wie Mikroprozessoren, welche als Bausteine für moderne Computer und Smartphones dienen, oder um optomechanische Geräte. Letztere kombinieren mechanische Teile mit Licht und kommen häufig in Sensoren zum Einsatz. Ein weiteres Beispiel sind mikrofluidische Apparaturen – Systeme, die ein herkömmliches Laborexperiment auf einem Mikrochip nachahmen.
„Ein typischer Arbeitstag für unsere Mitarbeiter:innen beginnt damit, dass sie den Status aller Geräte überprüfen und bei Bedarf einige davon neu starten oder Probleme beheben, die außerhalb der Arbeitszeiten aufgetreten sind“, so Bagiante. „Eines unserer interessantesten Geräte ist das Elektronenstrahl-Lithografiesystem, mit dem sich detaillierte Muster auf Oberflächen erzeugen lassen, die hundertmal kleiner sind als ein menschliches Haar“, fährt er fort. Strukturen wie jene auf Mikrochips werden so eingraviert. Dadurch werden Leiterbahnen geschaffen, welche Schaltkreise bilden. Diese ermöglichen es, Nanostrukturen mit der realen Welt zu verbinden und mit hoch entwickelter Elektronik zu messen.
Ein weiteres Gerät, das die Herzen von Tech Nerds höher schlagen lässt, ist der Hochvakuumverdampfer. Mit ihm kann man dünne Materialschichten auf Oberflächen auftragen. Ähnlich, aber in einem weitaus kleineren Maßstab, ermöglicht die Atomlagenabscheidung das Aufbringen von Schichten auf Materialien. Dabei wird Atomschicht für Atomschicht auf verschiedenen Substraten aufgetragen.
Forschung unterstützen
Um die streng kontrollierten Reinräume herum geht es weiter durch den schmalen Gang zu einem Saal, der für verschiedene andere Prozesse genutzt wird. Kunststoffvorhänge dienen hier als Barriere, um gröbere Kontamination zu verhindern. Hier finden sich Geräte wie ein 3D-Nanodrucker, ein Mikroskop, zwei Bondmaschinen (aus dem engl. bond – „Verbindung“) und ein PFIB-Xenon-Plasmafokus-Ionenstrahl. Letzteres ist kein Star Trek-Raketenantrieb, sondern Wissenschafter:innen nutzen ihn, um Material zu schneiden, zu formen oder zu entfernen, vergleichbar mit einem High-Tech-Sägewerk. „Es ermöglicht das superschnelle Fräsen von jedem Material“, fügt Bagiante begeistert hinzu. Diese winzigen Materialstückchen können dann mit leistungsstarken Detektoren direkt im System analysiert werden.
Natürlich gibt es auch in einem Reinraum „Frühjahrsputz“. Einmal jährlich wird gereinigt, was sich trotz sorgfältiger Arbeit an Schmutz angesammelt hat. „Es ist ein mehrtägiger Prozess und erfordert eine gute Planung und Koordination mit den Forschungsgruppen am ISTA“, erklärt Volobueva.
Die enge Zusammenarbeit des Fachpersonals mit den Forscher:innen als auch die Möglichkeit, jederzeit auf den institutseigenen Reinraum zuzugreifen, sind für die Umsetzung und letztlich den Erfolg vieler Forschungsprojekte entscheidend.
Wieder ertönt das „Beep, beep“ der automatischen Tür. Sie ist schon zu lange offen gewesen und muss schnell geschlossen werden. Es ist Zeit, die blauen Schuhüberzieher zu entsorgen und wieder in die echte Welt zurückzukehren.