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17. August 2020

Wann ist notwendig hinreichend?

Forscher_innen liefern den Schlüssel zu einem Algorithmus, um ganzzahlige Lösungen für Polynomgleichungen zu finden.

The cubic surface x³+xy+yz²=0 passes the two tests and has numerous integer solutions (red dots), but the conjecture remains open for cubic equations in general. Image by Ulrich Derenthal / Leibniz University Hannover
Die kubische Fläche x³+xy+yz²=0 besteht die beiden Tests und hat zahlreiche ganzzahlige Lösungen (rote Punkte), aber die Vermutung bleibt für kubische Flächen im Allgemeinen offen.
© Ulrich Derenthal / Leibniz University Hannover

Im Jahr 1900 forderte der Mathematiker Hilbert die Forschung auf, einen Algorithmus zu entwerfen, der bestimmen kann, ob eine Polynomgleichung mit ganzzahligen Koeffizienten auch eine ganzzahlige Lösung hat. Heute wissen wir, dass dies, sein zehntes Problem, im Allgemeinen unlösbar ist. Ein neues Theorem von Professor Tim Browning vom Institute of Science and Technology Austria (IST Austria) und seinen Mitautoren, Professor Pierre Le Boudec von der Universität Basel und Professor Will Sawin von der Columbia University, hat jedoch den Schlüssel zur Erstellung eines solchen Algorithmus für fast alle Polynome geliefert, deren Anzahl der Variablen größer ist als ihr Grad. Damit lösen sie eine zentrale Vermutung der Zahlentheorie fast vollständig auf. Ihre Ergebnisse sind auf arXiv.org angekündigt und zur Veröffentlichung eingereicht worden.

Polynome mit ganzzahligen Koeffizienten und ihre ganzzahligen Lösungen – bekannt als diophantische Gleichungen – werden mindestens seit den Babyloniern untersucht und faszinieren uns auch heute noch. Ein Beispiel sind Lösungen der Gleichung x3+y3+z3=k für ganzzahlige Werte von k. Mathematiker_innen suchten jahrzehntelang nach ganzzahligen Lösungen für k kleiner als 100; erst im letzten Jahr wurden die letzten paar k<100 gelöst. Obwohl das Finden spezifischer ganzzahliger Lösungen für gegebene Polynomgleichungen ein spannendes Gebiet ist, ist die bloße Existenz von Lösungen auch eine wichtige Überlegung.

Wenn eine Polynomgleichung ganzzahlige Lösungen hat, müssen zwei Bedingungen erfüllt sein, wobei die eine mit Lösungen, die reelle Zahlen sind, und die andere mit der Teilbarkeit durch ganze Zahlen zu tun hat. Eine zentrale Vermutung in der Zahlentheorie schlug 2001 vor, dass, wenn die Anzahl der Variablen (nennen wir diese Zahl n) eines Polynoms größer ist als der Grad (nennen wir diese Zahl d), das Bestehen dieser beiden Tests fast immer bedeutet, dass es eine ganzzahlige Lösung gibt. „In gewisser Weise beschreibt die Vermutung, wann notwendige lokale Eigenschaften – die beiden Tests – hinreichend sind, um globale Aussagen über die Lösbarkeit zu machen“, erklärt Browning.

„Zuerst hörte ich von diesem Problem, kurz nachdem ich meine Doktorarbeit abgeschlossen hatte, und seitdem beschäftigt es mich“, erinnert sich Browning. Wirkliche Fortschritte kamen erst 16 Jahre später, als Browning und Le Boudec auf die Idee kamen, die Größe einer typischen Lösung zu untersuchen. „Die Idee war, dass, wenn die erwartete Größe einer Lösung zu groß ist, es wahrscheinlich überhaupt keine Lösung gibt“, erklärt Browning. Auf diese Weise konnten die beiden einen großen Teil der Vermutung beweisen, es gab jedoch immer noch unendlich viele Polynome, die die beiden Tests bestanden, denen sie sich so nicht widmen konnten. Da sie sich nicht damit zufriedengeben wollten, begannen die beiden mit Will Sawin zusammenzuarbeiten, der die beiden Tests wesentlich effizienter in die Argumentation einbauen konnte.

Am Ende bewiesen Browning und sein Team, dass die Vermutung in allen Fällen zutraf. Ausnahme ist der Fall n=4 und d=3, eine Familie, die als kubische Flächen bekannt ist. Das Theorem des Teams kann mit einem Algorithmus kombiniert werden, der entscheidet, ob ein Polynom die beiden oben erwähnten Tests besteht. Zusammen geben sie starke Hinweise darauf, dass es einen Algorithmus gibt, der entscheidet, ob ein typisches Polynom mit n>d ganzzahlige Lösungen hat oder nicht.

Browning und seine Gruppe untersuchen weiterhin kubische Flächen, neben anderen diophantischen Gleichungen. Gemeinsam versuchen sie zu verstehen, welche Polynome die beiden obigen Tests bestehen, aber keine ganzzahligen Lösungen haben. Es wird vermutet, dass ein dritter Test – die Brauer-Manin-Obstruktion – ausreicht, um die verbleibenden Fälle zu erklären; Browning und seine Gruppe arbeiten an der Lösung dieser Vermutung.

„Zwar können wir Hilberts unmöglichen Traum nicht erreichen, möglicherweise ist das aber so nahe wie wir ihm für ganzzahlige Lösungen kommen können“, fügt Browning hinzu.

Publikation

T. Browning, P. Le Boudec, and W. Sawin. 2020. The Hasse principle for random Fano hypersurfaces. arXiv:2006.02356.

Links

Browning’s Numberphile Videos (um das x3+y3+z3=k Rätsel):

Zugehörige Videos auf YouTube ansehen – hier und hier



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