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14. Februar 2022

Wie viele Frösche man küssen sollte

Mathematischer Rat zum Aufspüren wahrer Liebe – und zum Verkraften schrecklicher Dates

How Many Frogs You Should Kiss

Liebe kann irrational, gar unlogisch sein, aber sie zu finden muss es nicht sein. Egal, ob Sie Wissenschafter:in sind oder nicht, die Mathematik rettet Ihre romantische Mission: Folgen Sie diesem einfachen Algorithmus, ersparen Sie sich nicht nur endlose und unangenehme Rendezvous, sondern haben auch die größte Chance, Miss Perfect oder Ihren Traumprinzen zu finden.

Zum Valentinstag ist das Mysterium Liebe allgegenwärtig. Warum also nicht die mühsame Suche nach der „Wahren Liebe“ mit etwas angehen, das ebenfalls allgegenwärtig ist? Exakt, die Mathematik. „Wenn es um Entscheidungsfindungen geht, ist die Spieltheorie das Fachgebiet Ihrer Wahl“, bestätigt Laura Schmid, die sich am Institute of Science and Technology Austria (ISTA) damit beschäftigt. „Sie befasst sich mit Strategien, die den Nutzen für eine Person maximieren, selbst in Szenarien, in denen die Teilnehmenden verschiedene Prioritäten haben.“ Tatsächlich kann man nicht nur das Heiratsproblem, sondern viele essenzielle Lebensfragen mit einem statistischen Zugang lösen; ob es nun darum geht, die ideale Wohnung zu kaufen, den optimalen Job zu bekommen oder einfach das beste gebrauchte Fahrrad zu finden.

Die Schwierigkeiten, den richtigen Frosch zu küssen

Bei der Partnersuche tappen Sie im Dunkeln: Sie wissen nie, ob Ihr McDreamy noch irgendwo da draußen ist und darauf wartet, gefunden zu werden; oder schlimmer noch, dass Sie ihn bereits getroffen und in der Hoffnung auf bessere abserviert haben. Erschwerend kommt hinzu, dass Sie nacheinander daten und sofort entscheiden müssten, ob das aktuelle Gegenüber passt oder nicht.

Es ist unwahrscheinlich, dass Sie gleich beim ersten Rendezvous Ihres Lebens die perfekte Beziehung finden. Aber es ist eben auch möglich, dass ewiges Warten zu Unglück führt. Dann gehen Ihnen die Möglichkeiten und die Zeit aus. Anstatt allein zu bleiben, fühlen Sie sich vielleicht zur Wahl gezwungen, egal wie hässlich der Frosch ist. Wann man sich entscheiden sollte, diese Frage ist der heilige Gral der Partnersuche – und die Mathematik liefert ihn.

Wie man Froschkönig:innen findet

Diese von Neil Beardon im Jahr 2006 vorgestellte Strategie leitet sich aus der Theorie des optimalen Anhaltens ab und geht wie folgt:

  • Schritt 1: Legen Sie die Anzahl der Personen n fest, mit denen Sie in Ihrem Leben ausgehen können.
  • Schritt 2: Ziehen Sie die Quadratwurzel aus dieser Zahl, √n. (Falls nötig, kaufen Sie zwischen Schritt 1 und 2 einen Taschenrechner.)
  • Schritt 3: Treffen Sie sich mit √n Menschen und lehnen Sie alle ab, egal wie charmant oder klug sie sind. Der oder die beste Kandidat:in setzt Ihre Messlatte.
  • Schritt 4: Führen Sie die Verabredungen fort und heiraten Sie die erste Person, die diese Messlatte übertrifft.
  • Happy End – oder etwa doch nicht?

Die Aussichten auf Erfolg

Nehmen wir an, Sie wollen sich in den nächsten zwei Jahren binden. Sie verabreden sich also (eifrig) jede Woche mit einer Person, was n = 100 ergibt. Nach zweieinhalb Monaten haben Sie die ersten zehn Personen kennengelernt und alle abgelehnt – manche beruhigt, manche bedauernd. Sie haben ein Gespür für die Menschen da draußen entwickelt. Angenommen, man könnte eine Rangliste aufstellen, so legt die bisher beste Peron Ihre künftige Schwelle fest. Wenn Sie sich auf die nächste Person einlassen, die besser ist als die Schwelle, egal ob es sich um die elfte oder hundertste Person handelt, werden Sie im Durchschnitt jemanden finden, der zu den zehn Besten gehört, also zu 90 Prozent perfekt ist.

Bei einem anfänglichen n von 10 müssen Sie weniger daten, aber Sie haben im Durchschnitt nur jemanden, der zu 75 Prozent perfekt ist. Natürlich besteht immer die Möglichkeit, dass Sie am Ende niemanden finden – was sich kaum vermeiden lässt, wenn man so pingelig (Sie nennen es „anspruchsvoll“) ist. Was aber, wenn Sie Perfektionist:in sind und sich nur mit dem Allerbesten zufriedengeben?

Mit vollendeter Liebe rechnen

Die Frage geht auf das „Sekretärinnenproblem“ zurück. Der britische Statistiker Dennis Lindley wies 1961 nach, dass man, um die perfekte Person für den Job zu finden, nicht √n, sondern 1⁄e = 0.37 der Kandidat:innen befragen muss, wobei e = 2.718… die Eulersche Zahl ist. Diese 37-Prozent-Methode ist der beste Ansatz, wenn Sie nur die beste Person als Erfolg betrachten, und es als Misserfolg verbuchen, sich in jemanden geringfügig schlechteren zu verlieben. Die Wahrscheinlichkeit, dass Sie den optimalen Menschen in der Menge finden liegt hier knapp unter 40 Prozent. Sechs von zehn Personen, die dieser Strategie folgen, werden also am Ende unglücklich sein.

„Im wirklichen Leben können Menschen versteckte Motive oder persönliche Überzeugungen haben, die nicht exakt mit der Situation in den ‚Modellen‘ übereinstimmen“, ergänzt die Spieltheoretikerin Schmid, die die Grenzen ihres Fachgebiets kennt. „Die menschliche Entscheidungsfindung ist komplex und viele mathematische Modelle sind abstrakte Vereinfachungen, die die Schrulligkeit der menschlichen Psychologie ausklammern.“

Bevor Sie nun anfangen, alle verfügbaren Dating-Apps durchzuspielen, um schnell Ihre ersten 37 Prozent abblitzen zu lassen, schätzen wir doch einmal ab, was ein realistischer Wert für n ist.

Die Anzahl möglicher Herzensbrecher:innen

Nehmen wir an, Sie wohnen in Wien, dann fischen Sie in einem Pool von 1,9 Millionen Wiener:innen, von denen etwa 50 Prozent Ihr bevorzugtes Geschlecht sind. Da Sie weder TikTok noch Caterina Valente kennen, reduziert die Gruppe von Menschen im passenden Alter (Ihr eigenes Alter +/- acht Jahre) den gesamten Pool auf ein Viertel. Ob es nun am Gehalt oder an der Intellektualität liegt, Sie könnten Akademiker:innen bevorzugen, was die Zahl auf ein weiteres Viertel begrenzt – von denen nur 80 Prozent geimpft sind, was eine weitere Bedingung sein könnte. 47.500 Personen bleiben am Ende also für Sie übrig. Der Erfahrung nach ist nur 1 von 25 eine Augenweide – zumindest in Ihren Augen, und das zählt. Dennoch muss er oder sie Single sein (40 Prozent).

Am Ende stehen Sie mit einer etwas beruhigenden, gleichsam einschüchternden Zahl von 760 Kandidat:innen da. Darum keine Angst vor gebrochenem Herzen, sondern halten Sie sich einfach an den Algorithmus, dann können Sie mit Liebe rechnen!

Weiterführende Lektüre

Peter Backus (2010): Why I don´t have a girlfriend.

Matt Parker (2014): Things to Make and Do in the Fourth Dimension: A Mathematician’s Journey Through Narcissistic Numbers, Optimal Dating Algorithms, at Least Two Kinds of Infinity, and More.

Hannah Fry (2015): The Mathematics of Love: Patterns, Proofs, and the Search for the Ultimate Equation (TED Books).



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